Ich habe dich von den Enden der Erde ergriffen
Liebe Geschwister im Herrn, liebe Freunde der Gemeinschaft Chemin Neuf,
die Wege des Herrn sind nicht immer sofort für unsere menschliche Logik verständlich. So kommt es auch dazu, dass ein deutscher Bruder vor kurzem in Frankreich in der Gemeinschaft Chemin Neuf zum Priester geweiht wurde, ohne dass dieser Bruder bisher einen Zwischenstopp in der Gemeinschaft in Deutschland gemacht hat. Die Priesterweihe ist also eine Möglichkeit mich vorzustellen, sodass wir im Gebet verbunden sein können und dass ihr zumindest wisst, dass irgendwo in Frankreich ein weiterer deutscher Priester – der dritte nach Hasso Beyer und Gerold Jäger – dem Ruf Gottes im Zölibat und in der Gemeinschaft Chemin Neuf geantwortet hat. Wie kam es dazu? Und wer schreibt euch eigentlich?
Ich heiße Gabriel Müller. Zumindest mein Nachname ist sehr klassisch für einen Deutschen. Ich bin 31 Jahre alt. Aufgewachsen bin ich im idyllischen Südschwarzwald, genauer gesagt in einem kleinen Dorf namens “Häusern” mit meinen Eltern und drei Brüdern. Nach einer schönen und manchmal auch wilden und suchenden Jugend, wo es neben der Schule auch in den Musik- und Sportverein sowie zu den Ministranten in die Kirche ging, habe ich 2010 mein Abitur im Jesuitenkolleg in Sankt Blasien abgeschlossen.
Während meiner Jugendzeit gab es zwei zentrale Momente für meinen Glauben. Der erste Moment war eine Beichte. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Erstkommunion habe ich dort einen echten Moment der Begegnung mit der Barmherzigkeit Gottes erlebt. Als zehnjähriger Junge durfte ich erfahren, wie Gott mich von der Last aller Dinge, die mich von ihm und meinen Mitmenschen trennen können, befreit hat und es stets wieder tut. Zweitens, eine Erfahrung als schon älterer Teenager direkt nach dem Firmungsgottesdienst: In einer Zeit, die innerlich schwierig war und in der ich weit weg von Gott lebte, bat ich Gott um ein klares Zeichen, wenn Er noch eine Richtung für mein Leben hat. Die Antwort war nicht ein komplett abgesteckter Zukunftsplan, sondern eine andere noch schönere Antwort Gottes, durch den Mund des Bischofs: Gabriel, ich kenne dich bei deinem Namen. Das war die Zusage, dass Gott mich in meinem tiefsten Wesen kennt, mit allen meinem Verlangen, Gaben und Schwächen und auch in all meiner Entfernung, die ich damals von Ihm erlebte.
Nach meinem Abitur begannen diese zwei Saaten der Jugendzeit durch ein ganz neues Abenteuer zu wachsen: Für den Zivildienst ging es nach Kanada, genauer gesagt nach Rawdon (Quebec) in die französischsprachige Provinz dieses riesigen Landes. Das Ankommen in diesem verlorenen Ort war kein Zufall, sondern eine echte Leitung Gottes. Der einjährige Zivildienst fand in einem Gästehaus der Gemeinschaft Chemin Neuf statt, und so wurde das Jahr zu einem “point of no return”. Durch das einfache Gemeinschaftsleben, die Freude im Alltag und die unterschiedlichen Gebetszeiten entfachte Gott seine Liebe in mir. Gott wurde dadurch schon nach nur wenigen Monaten der zentrale Punkt meines Lebens: Er offenbarte mir Seinen Ruf zum Zölibat und zum Dienst als Priester.
Ein Bibelvers aus Jesaja fasst gut dieses Schlüsseljahr zusammen: „Ich habe dich von den Enden der Erde ergriffen, aus ihrem äußersten Winkel habe ich dich gerufen. Ich habe zu dir gesagt: Du bist mein Knecht, ich habe dich erwählt und dich nicht verworfen. Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich habe dich stark gemacht, ja ich habe dir geholfen und dich gehalten mit meiner siegreichen Rechten“ (Jesaja 41,9-10). Seit diesem Jahr in Kanada wurde die Gemeinschaft Chemin Neuf die Erde, in der Gott mich rief, um zu wachsen, Ihm nachzufolgen und zu dienen.
Die weiteren Etappen mit der Gemeinschaft waren vielfältig: Ein Ausbildungsjahr in der Abtei von Hautecombe in Frankreich, gefolgt von drei Jahren in der Paulusabtei in den Niederlanden. Danach ging es für eineinhalb Jahre nach Kinshasa/Kongo für das Philosophiestudium und für zwei Jahre in unsere Pfarrgemeinde in Chambéry/Frankreich. Nach dieser pastoralen Aufgabe ging es die letzten vier Jahre mit dem Theologiestudium in Abtei “Notre Dame des Dombes” weiter. Das letzte Studienjahr durfte ich als Diakon im Dienst der Pfarrgemeinde “Sainte Madeleine” in Villeurbanne bei Lyon erleben. Ab September rufen mich Gott und die Gemeinschaft dazu, um als Bruder und Priester im Dienst unseres Ausbildungshauses in der Abtei von Melleray, in der Nähe von Nantes, zu sein.
Für die kommende Zeit vertraue ich mich Eurer Fürbitte an. Möge Gotte jeden einzelnen von Euch segnen und vielleicht wird Er unsere Wege eines Tages zu einer Begegnung in Deutschland leiten.
Im Gebet und im Herrn verbunden,
Gabriel